32. SONNTAG IM JAHRESKREIS

9. November 2014

Lesungen: 1 Kor 3,9c-11.16-17 / Johannes 2,13-22

Gedanken zu den Lesungen:

Wir sind hier zusammenkommen, um den Sonntag zu etwas Besonderem zu machen. Wir wollen Gott begegnen, indem wir miteinander beten, singen und feiern, und uns von Gottes Wort inspirieren und ansprechen lassen. Die Sonntagsfeier ist Mitte und Quelle christlichen Lebens.

Gottes Wort, das wir in den biblischen Lesungen hören, ist oft nicht leicht verständlich, weil es vor 2000 Jahren oder länger in der menschlichen Sprache von damals formuliert wurde. Wir müssen versuchen es in unsere heutige Sprache zu übersetzen. Besonders bei den heutigen Lesungen ist das wichtig.

Das Evangelium über die Tempelaustreibung ist uns allen bekannt, aber wir würden es missverstehen, wenn wir es als einen historischen Bericht betrachten würden. Es ist eine sehr bildhafte, symbolische Erzählung, die einen tieferen Sinn hat, der auch für uns heute wichtig ist.

Der Tempel in Jerusalem hatte zur Zeit Jesu im religiösen Leben einen unheimlich großen Stellenwert: Der Tempel war der Ort der Gottesanwesenheit. Hier ist Gott mitten unter seinem Volk. Hier kann man ihn verehren und Opfer (in der Form von Tieropfern) für ihn bringen.

Es ist aber etwas schiefgelaufen. Andere Interessen haben das eigentliche Ziel, hier Gott zu begegnen, in den Hintergrund gedrängt. Diese Gefahr gibt es natürlich immer wieder für unsere heutigen „Tempel“, die wir „Kirchen“ nennen. Sie sollten sakrale Räume sein, die Menschen in Beziehung zu Gott bringen und deswegen sollen sie eine eigene Atmosphäre schaffen, die zur Stille und Besinnung einlädt. Ob das bei uns wirklich der Fall ist?

Jesus kritisiert also die damalige Tempelpraxis mit seinen Tieropfern, und die Christen verstehen das später dann so: Der Ort, wo wir Gott begegnen, ist nicht an erster Stelle ein Gebäude, sondern Jesus selbst. In ihm und durch ihn finden wir wirklich zu Gott. Das ist dann auch die Bedeutung von diesen geheimnisvollen Worten von Jesus: „Reiß diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.“ Er spricht hier über sich selbst als den „neuen Tempel“ - nicht mehr aus Steinen, sondern aus Fleisch und Blut. Er selbst ist der Ort der Gottesanwesenheit. In ihm ist Gott da, kann man Gott finden und begegnen. Er will Menschen in Beziehung zu Gott bringen. Das ist die wahre Bedeutung von Jesus für uns. Das Kirchengebäude ist also nur ein äußerer Rahmen, eine Hilfe. Aber wirklich zu Gott finden wir durch Jesus. Er ist der Tempel Gottes.

Und da macht der Apostel Paulus einen gewagten Gedankensprung. Zu jedem einzelnen Christen und zu der ganzen christlichen Gemeinde von Korinth sagt er: „Indem ihr Christen geworden seid, seid ihr nun das Bauwerk Gottes, ihr seid nun der Tempel Gottes, in dem Gott wohnt!“ Ein starkes Stück! Das muss man einmal in sich eindringen lassen. Aber kommt das nicht auch zum Ausdruck in unserem heutigen Wort „Kirche“? Es bedeutet doch beides: Das Gebäude aus Steinen und die Menschen, das Volk Gottes!

Aber Paulus fügt deutlich noch etwas ganz Wichtiges hinzu: „Nur wenn der Geist Gottes in euch wohnt, wenn Gottes Geisteskraft in eurer Lebensweise, in eurem Denken, Reden und Handeln eine spürbare Wirklichkeit geworden ist, seid ihr Tempel Gottes“.

Wenn wir diese Worte ernst nehmen, werden wir sehr nachdenklich! Ist Gott wirklich in unserem Denken, Reden und Handeln anwesend - außer vielleicht am Sonntag, im Kirchengebäude, im Tempel aus Steinen? Bringen wir aber Gott durch unser Leben zur Sprache? Oder reden wir ausschließlich über Dinge, die mit Gott nichts zu tun haben, sodass er aus der Öffentlichkeit verschwindet, nicht vorkommt, kein Thema mehr ist? Vielleicht muss Jesus auch aus unserem privaten Leben und aus unserem Gemeindeleben ab und zu einiges „mit der Peitsche austreiben“, sodass mehr Platz für Gott ist? Wäre diese „Tempelaustreibung“ nicht dringend notwendig?

„Denkt also daran, dass ihr als Gemeinde der Tempel Gottes seid und dass der Geist Gottes in euch wohnt“. Das gilt nicht nur für die damaligen Christen in Korinth! Bekennen wir uns dazu durch unser Glaubensbekenntnis.

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